Wirksamkeit von Biofeedback und Neurofeedback

Mittlerweile hat sich eine Vielzahl an Studien mit Biofeedback beschäftigt. Anschließend aufgelistet findet sich die Wirksamkeit von Biofeedback auf 5 Stufen wie Sie in der dritten Auflage des Reviews Evidence-based practice in biofeedback and neurofeedback  (Tan, Shaffer, Lyle, & Teo (Eds.) Wheat Ridge, CO: Association for Applied Psychophysiology and Biofeedback). angegeben wurden.

Dieser Artikel stellt unserer Meinung nach einen der besten Ausgangspunkte für die Betrachtung der Wirksamkeit der Biofeedback-Training dar. Die 5 Stufen wurden von einer gemeinsamen Task-Force empfohlen und von einer Gruppe rund um die Association for Applied Psychophysiology and Biofeedback (AAPB) angenommen.

Von der schwächsten bis zur stärksten sind diese Stufen: empirisch nicht unterstützt, möglicherweise wirksam, wahrscheinlich wirksam, wirksam und wirksam und spezifisch. Bei jedem Punkt finden Sie jeweils die Erklärung der Stufen und jene Indikationen welche im Review zu dieser Wirkungsstufe gezählt wurden.

Stufe 1: Empirisch nicht unterstützt

Wie wird diese Kategorie definiert?

In dieser Stufen finden sich Indikationen welche nur durch anekdotische Berichte und / oder Fallstudien in nicht-peer-reviewten Umgebungen gestützt werden. 

Tan et al. (2016) wiesen dieser Kategorie folgende Punkte zu:

  • Schmerz und Spastik aufgrund des Vernachlässigens von Mikro-Pausen
  • Komplexes regionales Schmerzsyndrom
  • Trigeminusneuralgie

Stufe 2: Möglicherweise wirksam

Wie wird diese Kategorie definiert?

Diese Stufe erfordert zumindest eine Studie mit einer ausreichenden statistischen Aussagekraft mit gut identifizierten Zielparametern aber ohne die randomisierte Zuordnung zu einer Kontrollgruppe innerhalb der Studie.

Tan et al. (2016) wiesen dieser Kategorie die folgenden Indikationen zu:

  • Zerebralparese
  • Schmerz vom Karpaltunnel-Syndrom in Zusammenhang mit Spannung im Oberarm und der Nackenmuskulatur
  • Myofaszialer Schmerz/Triggerpunkt bezogener Schmerz
  • Schleudertraume

PMS und Menstruationsbeschwerden
Zum gesamten Komplex „Biofeedback bei Frauen“ gibt es hier einen Artikel.

  • Schmerz von spastischen Muskeln und Muskelspasmen
  • COPD
  • Koronare Herzkrankheit
  • Diabetes Mellitus: Claudicatio intermittens
  • Funktionaler/Wiederkehrender Bauchschmerz
  • Hyperhidrose
  • Immunfunktion
  • Vasovagale Synkope

Schlaganfall
Gerade nach Schlaganfällen wird Biofeedback durchaus seit längerer Zeit sehr intensiv und erfolgreich eingesetzt. Hier wird das EMG-Biofeedback der Muskelspannung genutzt. Dadurch, dass die Sensoren selbst minimale Veränderungen erfassen kann der Klient auch diese Mini-Fortschritte sehen und bleibt in der Rehabilitation motiviert.

Stufe 3: Wahrscheinlich wirksam

Wie wird diese Kategorie definiert?

Diese Zuordnung zu dieser Stufe erfordert mehrere Beobachtungsstudien, klinische Studien, Wartelisten-Kontrollstudien, sowie within-subject und intra-subject Replikationsstudien, welche die Wirksamkeit demonstrieren.

Alkohol/Substanz-Missbrauch
Einer der Klassiker der Arbeit mit Neurofeedback ist das sogenannte Penniston-Protokoll für die Behandlung von Alkoholmissbrauch. Eine Übersicht zu diesem Vorgehen finden Sie hier. In unserer Software haben wir auch Bilder von Alkohol integriert, um damit eine Konfrontation mit den stressauslösenden Stimuli durchzuführen.

  • Arthritis
  • Asthma

Autismus
Siehe auch ganz unten den Punkt zu ADHS. Besonders auf den Ebenen der Hyperaktivität und Impulskontrolle werden hier Erfolge erzielt.

  • Chemobrain
  • Muskelbezogener Schmerz im unteren Rücken
  • Verkrampfung und Phantomschmerz

Schmerzsyndrome des Beckenbodens
Viele fragen sich oft, wie man denn überhaupt mit Biofeedback den Beckenboden ansteuert? Es gibt für das EMG eigene Adapter (Vaginal- und Rektalelektroden), welche dann die Muskelspannung des Beckenbodens anzeigen. Falls das zu invasiv sein sollte, gab es auch Studien, welche mit dem Anbringen am Perineum gute Erfolge zeigen konnten.

  • Subluxation der Patella und Patellofemoraler Schmerz
  • Krebsbezogener Schmerz
  • Diabetes Mellitus: Diabetische Geschwüre
  • Fazialisparese
  • Fibromyalgie

Schlafstörungen
Hier gibt es ein wenig Erfahrungswissen – was eine Mischung aus Studien und Praxiserkenntnissen von Anwendern andeuten ist, dass es bei Schlafstörungen wichtig ist nicht singulär-modal, sondern multi-modal vorzugehen. Also nicht nur einen Parameter zu trainieren, sondern z.B. die Temperatur, die Atmung, die Muskelspannung und auch das Gehirn mittels Neurofeedback.

Meine Vermutung dazu ist, dass beim Schlaf einfach so viele Komponenten zusammenspielen, dass ein einseitiges Vorgehen nicht gut funktioniert.

  • Reisekrankheit (Motion Sickness)
  • Repetitive-Strain-Injury
  • Schädel-Hirn-Trauma und PTBS

Leistungssteigerung
Alles was man vom Spektrum von klinisch auffällig zu gesund machen kann, kann man natürlich auch auf der Achse gesund zu Spitzenleistung anwenden. Hier wird oft die Kontrolle über die Muskeln trainiert oder der Klient lernt Ängste in der Wettkampfsituation abzubauen.

Posttraumatische Belastungsstörung
Hier gibt es verschiedene Ansätze, die sich alle als sehr nützlich gezeigt haben. So wird z.B. intensiv mit der Atmung und der Herzratenvariabilität gearbeitet. Auch ein Manual zu Trauma und Schmerz wurde erarbeitet.

An der Neurofeedback-Front wiederum wird manchmal ein Alpha-Theta Training in Kombination mit Traumatherapie genutzt.

Tinnitus
Hier gibt es zwei Zugänge: einerseits jenen über peripheres Biofeedback und Muskelentspannung die den Tinnitus auslösende Muskulatur zu entspannen bzw. generell den Zusammenhang zwischen Stress und Tinnitus zu zeigen. Dazu gibt es sogar ein frei verfügbares Manual.

Andererseits wird Neurofeedback genutzt um die Belastung durch den Tinnitus zu reagieren. Ebenfalls frei verfügbare Übersicht dazu gibt es hier.

Harninkontinenz bei Kindern – Harninkontinenz bei Männern – Harninkontinenz bei Frauen
Hier kommt wie oben beschrieben das EMG-Biofeedback zum Einsatz um die Kräftigung des Beckenbodens zu trainieren. In den USA zählt diese Methode mittlerweile zum Goldstandard und auch Personen in sehr hohem Alter können diese Fähigkeit noch lernen. Hier ein Auszug aus einem Erfahrungsbericht zu diesem Thema:

„Wir therapierten Frauen mit Stress-, Urge- und gemischter Inkontinenz, Beckenbodeninsuffizienz ohne Harnverlust, sowie Stuhlinkontinenz. Bei den Männern handelte es sich ausschließlich um Probanden mit Stressinkontinenz nach radikalen Prostataektomien. Hierbei zeigte sich die Domäne des Biofeedback bei Stressinkontinenz; gerade bei dieser Diagnose sollte das Training mittels Vaginalsonden ebenso wie in Amerika Goldstandard werden. Bei den meisten Probanden konnte eine eindeutige Besserung erzielt werden. (…) Dadurch kommt es auch zu einer vermehrten Motivation der betroffenen ProbandInnen, da sie den Fortschritt von Mal zu Mal sehen können und der Trainingrende ein gutes Mittel zur Hand hat, um die Compliance zu überprüfen). (…) Ein weiterer sehr positiver Aspekt der BFB-Training liegt nicht zuletzt in der geringen Anzahl der Trainingabbrüche. Nur 15 Probanden (von 660) brachen die laufenden Sitzungen ab. (…)“

Stufe 4: Wirksam

Wie wird diese Kategorie definiert?

Um dieser Stufe zugeordnet zu werden müssen 6 Kriterien erfüllt werden. Diese Bezeichnung erfordert die Erfüllung von sechs Kriterien:

Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne Behandlung, einer Gruppe mit alternativer Behandlung oder einer Sham (Placebo)-Kontrollgruppe mit randomisierter Zuordnung, zeigte sich, dass die untersuchte Methode der Kontrollbedingung statistisch signifikant überlegen ist oder, dass die untersuchte Methode gleichwertig zu einer Behandlungsmethode mit anerkannter Wirksamkeit ist (in einer Studie mit genug Aussagekraft um moderate Unterschiede zu entdecken.

Die Studien wurden mit einer Population durchgeführt welche für ein spezifisches Problem behandelt wurde, wobei die Einschlusskriterien in einer reliablen, operational definierten Weise beschrieben wurden

Die Studie verwendete valide und klar spezifizierte Parameter mit Bezug zum behandelten Problem

Die Daten wurden einer angeerfassenen Datenanalyse unterzogen

Die Diagnostik und Behandlungsvariablen und Prozeduren waren in einer Weise klar definiert, welche die Replikation der Studie von unabhängigen Forschern erlaubt.

Die Überlegenheit oder Äquivalenz des untersuchten Verfahrens wurden in mindestens 2 unabhängigen Forschungssettings gefunden.

Tan et al. (2016) wiesen dieser Kategorie die folgenden Indikationen zu:

Angst und Angststörungen
Hier gibt es zwei Zugänge. Einerseits ein allgemeines entspannungsförderndes Training um die Grunderregung zu senken (z.B. auch bei GAS) und andererseits ein klassisches Expositionstraining, welches mit Biofeedback unterstützt wird.

  • Muskelbezogener orofacialer Schmerz
  • Nicht-kardialer Brustschmerz

Haltungsbezogene Schmerzprobleme
Haltungsschulung mit Biofeedback ist in meinen Augen sogar ziemlich witzig. Man kann z.B. die Klienten ihrem normalen Arbeitsalltag nachgehen lassen und im Hintergrund die Muskelspannung erfassen. Währenddessen läuft eine schöne Musik, welche genau dann stoppt, wenn das EMG einen kritischen Wert überschreitet. So kann der Klient peu a peu sensibilisiert werden.

Verstopfung
Einige Werke haben die Effektivität von Biofeedback in der Behandlung von Verstopfung untersucht und berichten von der Überlegenheit der Biofeedback-Training anderen Verfahren gegenüber. Die klinischen Vorteile waren auch 2 Monate nach dem Training noch aufrecht. Insbesondere das EMG-Biofeedback wird hier in der Praxis oft genutzt.

Kopfschmerz bei Erwachsenen
Ein Klassiker. Sogar Krankenkassen haben Pilotprojekte übernommen, um diese Indikation vielleicht zu bezahlen und wir wissen wie selten so etwas passiert. Gerade der Kopfschmerz vom Spannungstyp wird hier erfolgreich behandelt. Das Thema Schmerz ist beim Biofeedback mittlerweile wirklich in aller Munde.

Egal woher die Schmerzen kommen, Muskelentspannung kann hier Wunder wirken.

Selbst bei so komplexen Fällen wie jenem im Video kann Biofeedback helfen.

Morbus Raynaud
Es gibt Varianten der Arbeit mit Biofeedback, die man sich anfangs nur schwer vorstellen kann, die Arbeit mit Morbus Raynaud gehört definitiv nicht zu diesen. Temperatur-Biofeedback wärmt den Körper durch Weitung der Blutgefäße und Morbus Raynaud zeichnet sich durch kalte Extremitäten aus. Da muss man nicht lange überlegen, warum das fantastisch funktioniert.

Schmerz durch Kiefergelenkkrankheiten (TMJD)
Ähnlich wie beim Spannungskopfschmerz wird hier viel mit dem Muskelbiofeedback gearbeitet. Ein besonders spannender Aspekt ist hier auch die Einsicht des Klienten. Bei einem Stressprofil kann der Klient sehen wie seine Kiefermuskulatur auf Stress reagiert, das ist oft schon die halbe Miete

Depressive Störungen
Hier ist es sehr beeindruckend, dass sich die emotionale Verflachung der Klienten auch häufig in einer physiologischen Verflachung zeigt (wenig reaktiv).

Insbesondere das HRV-Training hat hier in den letzten Jahren einige beindruckende Studien hervorgebracht.

 

  • Diabetes Mellitus: Glykämische Kontrolle

Epilepsie
Für manche sehr überraschend ist Neurofeedback bei Epilepsie einer der Klassiker dieser Methode. Bereits in den 70er Jahren gab es hier Versuche und deren Erfolge werden bis heute repliziert. Ein wenig neuer ist die Arbeit mit dem Hautleitwert, aber auch hier konnten sich gute Erfolge zeigen.

Erektile Dysfunktion
Auch hier gibt es wieder zwei Zugänge, einerseits bei einer psychogen bedingten erektilen Dysfunktion ein Entspannungstraining und andererseits die Möglichkeit über Beckenboden-Training mittels EMG die Beckenbodenmuskulatur zu stärken.

Mehr dazu in diesem Artikel

Fäkalinkontinenz
Ähnlich wie bei der Harninkontinenz wird hier der Beckenboden trainiert.

Bluthochdruck
Ein Klassiker des Biofeedback, hier wird sogar von Fällen der Absetzung der Medikation berichtet (natürlich mit dem Arzt abzusprechen). Wie man das durchführt sehen Sie im Video.

Reizdarmsyndrom
Wird auch manchmal als einer der Klassiker der Psychosomatik bezeichnet und hier gibt es sehr gute Studienergebnisse vor Allem mit dem nun bereits regelmäßigen Herzratenvariabilitätstraining.

Präeklampsie
Hier zeigten Studien z.B., dass ein durch Biofeedback unterstütztes Entspannungstraining eine gute Unterstützung zur Standardbehandlung darstellen kann.

Stufe 5: wirksam und spezifisch

Wie wird diese Kategorie definiert?

Die untersuchte Behandlung muss sich als statistisch überlegen zur glaubwürdiger Sham-Training, medikamentöser oder bona fide-Behandlungen in mindestens 2 unabhäniggen Forschungssettings gezeigt haben.

Das Review wies dieser Kategorie die folgende Indikation zu:

ADHS
Diese Indikation steht durch die Unzahl an Studien die in den letzten Jahren zu diesem Thema veröffentlicht wurden an der Spitze der Wirksamkeitsstufen (man sieht hier auch einen Effekt des „Trends“ der Studien, Neurofeedback fällt es wohl leichter an der Spitze zu sein, da das Thema einfach gerade intensiv erforscht wird, evtl. wären auch andere Indikationen hier oben, wenn da mehr geforscht würde).

Die wohl häufigste Variante ist das Beta-Theta Frequenzbandtraining. Die Anwendung kann überraschend simpel sein, wie Sie im Video sehen können.