Angststörungen stellen mit einer Lebenszeitprävalenz von bis zu 16,6% die häufigste psychische Störungsgruppe dar. Seien es spezifische Phobien, Panik- oder generalisierte Angststörungen – Kennzeichen aller Angstsyndrome sind exzessive emotionale Ängste und ein Ungleichgewicht des autonomen Nervensystems.
Angstzustände sind für die Betroffenen eine deutliche Behinderung in der Bewältigung des Alltags und erzeugen (zum Teil) massiven Leidensdruck. Die übliche medizinische Behandlung durch Gabe von Anxiolythika oder Tranquilizern kann zu Medikamentenmissbrauch und –abhängigkeit führen und sollte deshalb nur als vorübergehende Maßnahme eingesetzt werden.
Behandlung von Angststörungen mit Biofeedback
Da nachgewiesen werden konnte, dass Probanden mit Angststörungen krankhafte Atemparameter aufweisen1, konzentriert sich eine Entspannungstherapie mit Biofeedbackgeräten sehr oft auf das Erlernen einer tiefen und langsamen Bauchatmung mittels Atem-Biofeedback. Die Behandlung mit Biofeedback ist als unterstützende Training anzusehen2, die Probanden Eigenkompetenz vermittelt und damit den Behandlungsfortschritt positiv beeinflusst.
Seit einiger Zeit wird auch verstärkt das Training der Herzratenvariabilität (also die Synchronizität von Atmung und Herzschlag – RSA Training) für die Behandlung von Angststörungen eingesetzt3.
2 Formen der Behandlung
Die Behandlung von Angststörungen mittels Biofeedback erfolgt auf 2 Ebenen. Zum einen wird mittels verschiedener Feedback-Methoden die allgemeine Entspannungsfähigkeit trainiert. Dies soll die Grunderregung des Organismus senken und damit die Auftrittswahrscheinlichkeit der Angstproblematik an sich verringern.
Des Weiteren wird auch intensiv mit Expositionstraining gearbeitet. Während dieses Konfrontationstrainings werden angstbesetzte Inhalte mittels Videos oder Bildern präsentiert und gleichzeitig das Erregungsniveau geerfassen und rückgemeldet. Die Entspannungsinduktion erfolgt z.B. durch das bereits erwähnte Atemfeedback und Erlernen einer tiefen Bauchatmung oder andere Feedback-Modalitäten.
Ziel ist der Ausbau der Körperwahrnehmung, sowie die Entspannung angesichts angstbesetzter Inhalte und die Beibehaltung dieser Entspannung auch in belastenden Situationen. Die Biolife-Software bietet hier die Möglichkeit mittels eigener Sitzungsvorlagen spezifisch auf die Probleme der Probanden einzugehen, indem z.B. eigene Videos oder Bilder für eine sehr spezifische Phobie eingefügt werden.
Wirksamkeit, Berichte und Effektivität
Nach bereis ca. 6 bis 12 Sitzungen zeigen sich Verbesserungen und signifikante Symptomreduktionen4. Es ist den Probanden schnell möglich ihren Stressindikatoren wie den Hautleitwert in ängstigenden Situationen selbstständig zu senken und damit ihr Angst- und Vermeidungsverhalten deutlich zu verbessern. Ein Behandlungserfolg, kann auch noch nach einem Jahr nachgewiesen werden4.Studienteilnehmer bewerteten Biofeedback auch als hilfreicher als andere Entspannungstechniken6
Weiters bewirkt das Training auch eine Veränderung der Krankheitsbewältigung. Die subjektive Angst wird vermindert und die Bereitschaft sich mit den kritischen Situationen zu konfrontieren wird erhöht. Die 2016 erschienene Studie Evidence-Based Practice in Biofeedback and Neurofeedback hat die Behandlung von Angststörungen mit Biofeedback auch mit der Stufe 4/5 „Wirksam“ bezeichnet7.
Passendes Behandlungsbeispiel von Dr. Erich Gamsjäger
In der Vorgeschichte berichtet die Klientin „Panikattacken“, ausgelöst durch Schwindel und Atemnot. Des Weiteren werden Schmerzgeschehen in der Schulter, Gewichtsverlust und stressbedingte Diarrhö als sehr belastend empfunden. Sie empfindet sich auch nach einem Klinikaufenthalt noch als „müde und überlastet“.
Die Klientin scheint eine erhöhte – physiologisch übersetzte – Angst-, Grübel- Leistungs- und Stressbereitschaft aufzuweisen. In neuen oder anfordernden Situationen reagiert sie mit einer starken Anspannung, vor allem im Schulter- und Nackenbereich. Darauf erfolgen schnelles und flaches Atmen sowie Wahrnehmung von Schwindel und Bewertung als beängstigend und gefährlich.
Innerhalb eines Jahres bei 18 Einheiten konnten über
- Atemtraining: Bauchatmung ohne Beteiligung der Schultern und Ausatemtraining
- Handerwärmungstraining bei Anwendung eigener Bilder und Entspannungssequenzen
- Kohärenztraining
- und die Motivation der Klientin
sämtliche Symptome verändert, gemindert oder aufgelöst werden. Symptome wie die morgendliche Diarrhö verschwanden ohne „aktive“ Intervention. Auch die Erfahrung von Kontrolle und Selbstwirksamkeit veränderte Verhalten, Reaktionen sowie Sicht- und Bewertungsweise der Klientin.
Eine zu Beginn der Behandlung auftretende Attacke konnte die Klientin mit Hilfe der erlernten Methoden abwehren, ab diesem Zeitpunkt traten keine Schwindel-/Angstanfälle mehr auf. Gespür für eigene Bedürfnisse und eine positive Sicht auf körperliche aber auch psychische Symptome konnten wiederhergestellt werden.
Heute ist die Klientin nicht mehr auf die Stütze durch Biofeedback angewiesen, nutzt diese Unterstützung aber gelegentlich, um die eigene Wahrnehmung und selbst entwickelte Methoden der Entspannung zu kalibrieren und validieren.
Angst-Studien im Biofeedback-Blog
Atem-Biofeedback hilft!
Wie unser Artikel „Mit dem Atem gegen die Angst“ zeigt, stellt besonders das Atembiofeedback ein enorm wirksames Werkzeug in der Behandlung von Angststörungen dar. Bereits nach sechs bis zwölf Sitzungen traten spürbare Erfolge auf und die Probanden bewerteten Biofeedback als hilfreicher als andere Entspanunngstechniken. Der Artikel berichtet auch über Besserungen bei Paniksymptomen und Erfolge bei spezifischen Phobien wie z.B der Flugangst.
Angst, Stress und Depression
Im Artikel „Biofeedback bei Angst, Stress und Depression“ berichten wir über eine Studie welche die Effekte von Biofeedback bei Studenten in höheren Ausbildungsstufen untersuchte. Die Ergebnisse zeigten, dass das Ausmaß aller 3 Parameter durch die Biofeedbackbehandlung gesenkt werden konnte, während es in der Kontrollgruppe sogar anstieg.
Posttraumatische Belastungsstörung
Nach ICD-10 zwar keine Angststörung aber aufgrund einer ähnlichen Symtomatik und Behandlungsmethode sei hier auch unser Artikel „Biofeedback bei der posttraumatischen Belastungsstörung“ erwähnt, in welchem ebenfalls Atembiofeedback als erfolgreiche Ergänzungsbehandlung bei dieser Erkrankung angewandt wurde.
Quellen
1 Wilhelm, F. H., Gevirtz, R., & Roth, W. T. (2001). Respiratory Dysregulation in Anxiety, Functional Cardiac, and Pain Disorders: Assessment, Phenomenology, and Treatment. Behavior Modification, 25(4), 513-545. doi: 10.1177/0145445501254003.
2 Polak, A. R., Witteveen, A. B., Denys, D., & Olff, M. (2015). Breathing biofeedback as an adjunct to exposure in cognitive behavioral therapy hastens the reduction of PTSD symptoms: a pilot study. Applied psychophysiology and biofeedback, 40(1), 25-31.
3 Ratanasiripong, P., Sverduk, K., Prince, J., & Hayashino, D. (2012). Biofeedback and counseling for stress and anxiety among college students. Journal of College Student Development, 53(5), 742-749.
4 Brauer, A. (1999). Biofeedback and Anxiety. Psychiatric Times, 16(2), 1-2.
5 Meuret, A. E., Wilhelm, F. H., Ritz, T., & Rith, W. T. (2008). Feedback of End-Tidal pCO2 as a Therapeutic Approach for Panic Disorder. Journal of Psychiatric Research, 42(7), 560-568. doi: 10.1016/j.jpsychires.2007.06.005.
6 Reiner, R. (2008). Integrating a Portable Biofeedback Device into Clinical Practice for Probands with Anxiety Disorders: Results of a Pilot Study. Applied Psychophysiology and Biofeedback, 33, 55-61. doi: 10.1007/s10484-007-9046-6.
7 G. Tan, F. Shaffer, R. Lyle, & I. Teo (Eds.). Evidence-based practice in biofeedback and neurofeedback (3rd ed.). Wheat Ridge, CO: Association for Applied Psychophysiology and Biofeedback.