Biofeedback bei Angststörungen – ein Erfahrungsbericht aus der Praxis

von , | 4. Juli 2024 | Anwendungsgebiete, Angst, Biofeedback, Erfahrungsberichte

Biofeedback gewinnt in der modernen Psychotherapie zunehmend an Bedeutung. Diese innovative Methode ermöglicht es Therapeuten und Patienten, physiologische Daten in Echtzeit zu beobachten und zu interpretieren. Doch wie genau kann Biofeedback die psychotherapeutische Behandlung in der Praxis nun wirklich bereichern? In einem exklusiven Interview haben wir darüber mit der erfahrenen Psychotherapeutin Frau Dr. Ellen Huse gesprochen: Biofeedback bei Angststörungen - ein Erfahrungsbericht aus der Praxis

Frage: Ihrer Meinung nach, wie wirksam würden Sie Biofeedback als Ergänzung in der psychotherapeutischen Behandlung einstufen, und wo sehen Sie den Mehrwert, es in die Psychotherapie zu integrieren?

Antwort: Ich sehe einen besonderen Mehrwert darin, dass wir unmittelbaren Zugriff auf physiologische Daten haben. Wir können sehen und sichtbar machen, was im Körper passiert. Das ist ein großer Vorteil, besonders bei Angstpatienten, die oft eine starke Fixierung auf Körperprozesse haben, wie zum Beispiel Patienten mit Panikstörung oder Herzneurose. Diese Patienten fixieren sich stark auf ihre körperlichen Prozesse. In der klassischen Psychotherapie, wo der Körper oft nicht einbezogen wird, ist es schwierig, die Patienten zu überzeugen, dass körperliche Symptome nicht gefährlich sind. Der Mehrwert von Biofeedback liegt darin, dass wir den Körper mit einbeziehen können. Wenn man einem Angstpatienten sagt: „Okay, wir schauen jetzt erstmal, was Ihr Körper eigentlich tut“ und wir dann genau das auch machen, nämlich Körperprozesse registrieren, gemeinsam anschauen und gemeinsam interpretieren, hat das für die therapeutische Beziehung einen hohen Mehrwert. Die Patienten fühlen sich ganz anders ernst genommen, als wenn sie nur vom Arzt gedrängt  in diese „Psychoschiene“ geraten, wo sie sich am Anfang manchmal gar nicht sehen. Es ist of ein sehr guter Türöffner in die Therapie.

Frage: Moderne Biofeedback-Systeme bieten viele Möglichkeiten, körperliche Parameter zurückzumelden. Bei welchen Parametern haben Sie gute Erfahrungen gemacht und was haben Sie als besonders zielführend bei Ihren Klienten erlebt?

Antwort: Zunächst finde ich es wichtig, zu schauen, welche Parameter überhaupt wie reagieren. Oft hat man eine gewisse Vorstellung; beispielsweise wenn ein Patient sagt: „Mein Herz schlägt dann so stark und dann kommt diese Angst, dass es ein Herzinfarkt sein könnte. Mein Vater ist auch an einem Herzinfarkt gestorben und ich weiß, da eine biologische Veranlagung habe. Ich spüre dann auch, wie das Herz sclägt. Da muss doch etwas sein.“. Dann wäre es naheliegend zu sagen ich arbeite mit der Pulsfrequenz. Das funktioniert meist gut.
Wenn ich mehrere Parameter habe, finde ich es aber trotzdem wichtig, auch all diese Parameter zu messen. Eine gute Biofeedback-Behandlung beginnt meiner Meinung nach immer mit einer sogenannten Stressprovokation, bei der verschiedene Zustände und Parameter verglichen werden. Wenn ein Patient über Probleme mit dem Puls berichtet, würde ich hauptsächlich den Puls rückmelden. Gleichzeitig könnte ich aber sehen, dass der Patient nicht nur einen hohen Puls hat, sondern auch eine starke Nackenverspannung. Wenn er mir vorher erzählt hat, dass er auch immer so Nackenschmerzen hat, dann würde ich in diesem Fall zunächst mit dem Puls als Türöffner arbeiten, danach aber sehr wohl auch das EMG in die Behandlung einbeziehen. Daher kann ich die Frage nur schwer beantworten. Ich arbeite auch gern mit der Atmung, weil man sie willkürlich beeinflussen kann und so sehr gut und schnell damit arbeiten kann. Auch Muskeln können wir gezielt beeinflussen; zwar können wir oft nicht einfach so gezielt loslassen, aber wir haben schon eine gute Kontrolle und können ganz gut damit arbeiten.
Es gibt auch Fälle, in denen besonders der Hautleitwert auf Stress reagiert. Ich finde es wichtig, die Parameter abhängig von den Berichten der Patienten auszuwählen und auch zu schauen, ob die Parameter auch sichtbar reagieren. 

Frage: Was berichten Patienten, wie merken Sie, dass sich die Angstsymptomatik reduziert, und welche langfristigen Effekte sind möglich?

Antwort: Kurzfristig bemerken viele Patienten, dass ihre Atmung langsamer und tiefer wird und dass sich mit der Atmung der Pulsschlag auch verlangsamt, was sie auch am Bildschirm sehen können. Das gibt ihnen das Gefühl, dass sie Entspannung tatsächlich lernen können. Viele Angstpatienten glauben, dass sie sich nicht entspannen können, aber die physiologischen Daten zeigen oft das etwas Anderes. Langfristig berichten Angstpatienten häufig, dass sie weniger Verspannungen spüren und insgesamt entspannter sind. Ein Beispiel ist eine Patientin mit extremer Angst vor Asseln. Durch das Biofeedbacktraining konnte sie lernen, dass sie, selbst wenn sie an Asseln dachte oder sie sah, zwar kurz mit dem Puls reagiert, den Puls aber auch schnell wieder nach unten regulieren kann. Diese Fähigkeit hat ihr geholfen, ihre Angst zu überwinden und ihre Bewegungsfreiheit zurückzugewinnen.

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