In diesem Interview mit der Psychologin Dr. Melanie Lenger erfahren Sie, wie Biofeedback als Ergänzung in der stationären Behandlung von Depressionen eingesetzt werden kann. Sie diskutiert die Wirksamkeit von Biofeedback, besonders bei der Verbesserung von Körperwahrnehmung und Symptomen wie Affektverflachung und Antriebsproblemen, und gibt wertvolle Tipps zur erfolgreichen Implementierung der Methode im stationären Setting.
Frage: Wie wirksam ist Ihrer Meinung nach Biofeedback als Ergänzung in der stationären Behandlung von Depressionen bzw. allgemein affektiven Erkrankungen?
Antwort: Biofeedback kann als Ergänzung in einem akutpsychiatrischen Setting sehr gut als Icebreaker funktionieren. Die Patienten schulen ihre Körperwahrnehmung, also die Verbindung zwischen „Wie geht es mir?“ und „Wie geht es meinem Körper?“. Das ist etwas, das viele nicht wissen oder schon lange nicht mehr bedacht haben. Hier einmal zu messen, was meine Muskelspannung und Atmung macht, und wieder zu spüren, „Wie geht es mir?“, ist sehr wichtig. Biofeedback ist eine klare verhaltensmedizinische Methode, mit der sich viele Patienten gut beschäftigen können. Die Patienten entwickeln großes Vertrauen und man kann so das Gefühl von Leere und Traurigkeit ein Stück weit abbilden. Das führt zu weiteren therapeutischen Gesprächen. Insgesamt erlebe ich Biofeedback als sehr hilfreich, wenn es ergänzend eingesetzt wird. Es kann vielen Patienten wertvolle Unterstützung bieten.
Frage: Welche Trainingsparameter haben Sie besonders hilfreich in der Arbeit mit depressiven Patientinnen und Patienten gefunden, die oft unter Affektverflachung und Antriebsproblemen leiden? Was kann helfen, diese Symptomatik zu verbessern?
Antwort: Wie bei allen Standard-Biofeedback-Behandlungen ist der Atemparameter auch bei Depression sehr wichtig, weil viele Patienten den Zusammenhang zwischen Körper und Psyche lange nicht erlebt haben. Die Atmung ist etwas, das sie schnell verändern und gut spüren können, also ist es wichtig, damit zu beginnen. Ein Herzratenvariabilitätstraining kann ebenfalls sinnvoll sein, wenn die Atmung gut funktioniert. Aktivierungstrainings wie progressive Muskelentspannung sind ebenfalls hilfreich. Viele depressive Patienten erleben sich als müde und affektverflacht, aber selten als entspannt. Durch Entspannung können sie lernen, sich wieder zu spüren und aktiv zu sein, was sehr hilfreich sein kann. Neben der Atmung sind die Herzratenvariabilität, die Muskelspannung und der Hautleitwert wichtige Parameter. Der Hautleitwert ist am Anfang schwerer zu manövrieren und benötigt ein Vortraining, aber er bietet eine wertvolle Rückmeldung, wenn Patienten erkennen: „Ich bin auf Betriebstemperatur.“ Daher würde ich persönlich mit Atmung, Muskelspannung und Herzratenvariabilität beginnen.
Frage: Im stationären Setting, was ist wichtig, wenn man die Methode etablieren möchte, damit sie vom Kollegium und den Patienten erfolgreich angenommen wird? Haben Sie Tipps, wie das gut gelingen kann?
Antwort: Wenn man im stationären Setting arbeitet, zum Beispiel als Psychotherapeut, klinischer Psychologe, Facharzt für Psychiatrie oder als Physiotherapeut, hat man direkten Zugang zur Methode, wenn man entsprechend ausgebildet ist. Wenn Patienten zu einer Behandlung zugewiesen werden, kann man Biofeedback anwenden, etwa im Rahmen einer klinisch-psychologischen Behandlung, eines Entspannungstrainings oder einer Verhaltensaktivierung. Wenn man die Methode, die man ohnehin verwendet, mit dem Biofeedbackgerät unterstützt, wird es oft ein Selbstläufer. Die Patienten berichten in der Visite von ihren positiven Erfahrungen: Bspw. „Ich habe das gestern gemacht, das hat mir sehr gut getan, ich habe es verstanden“ oder „ich war mit nicht bewusst, dass das abbildbar ist, ich dachte das ist nur psychisch“. Dadurch bekommt man schnell schon die nächste Zuweisung. Biofeedback hat eine schnelle Erfolgsquote, und wenn man es einmal anwendet, spricht sich das unter den Patienten und im Team schnell herum. In einem multiprofessionellen Team habe ich bisher keine Schwierigkeiten erlebt.
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