Welche Vorteile kann Biofeedback bei der Behandlung von Inkontinenz gegenüber dem klassischen Beckenbodentraining haben? In einem exklusiven Interview haben wir darüber mit der erfahrenen Biofeedbacktrainerin Frau Dr. Lisa Maria Glenk gesprochen:
Frage: Wie wirksam würden Sie Biofeedback bei der Behandlung von Inkontinenz einstufen, und welchen Mehrwert sehen Sie im Vergleich zum klassischen Beckenbodentraining, das ja ebenfalls wirksam ist?
Antwort: Absolut, ich sehe die Anwendung von Biofeedback hier wirklich als eine Synergie. Biofeedback und konventionelles Beckenbodentraining passen gut zusammen, gehen Hand in Hand und werden idealerweise kombiniert eingesetzt.
Der große Mehrwert von Biofeedback liegt darin, dass die Lokalisation des Beckenbodens über die visuelle Rückmeldung vereinfacht wird. Es gibt viele Frauen, die in der Gymnastik eher den Bauch oder den Gluteus Maximus, also den Pomuskel, anspannen, anstatt den Beckenboden. Mit der Verwendung einer Elektrodensonde ist es möglich, die Aktivität direkt aus den relevanten Muskelschichten abzuleiten und zu überprüfen, ob die Frauen auch wirklich nur dort anspannen. Das bedeutet, die Anspannung erfolgt an der richtigen Stelle und nicht durch Hilfs- und Stützmuskulatur. So sind sie genau an der richtigen Stelle und laufen nicht Gefahr, die falschen Muskeln anzuspannen. Ein weiterer Vorteil ist das unmittelbare Feedback. Es gibt sofort einen Hinweis darauf, ob die Kontraktion korrekt ausgeführt wird und wie stark sie ist. Die Methode zeigt schnell, wo gerade etwas passiert.
Frage: Das heißt, es werden EMG-Sonden zur Erfassung der Muskelspannung im vaginalen oder rektalen Bereich angewendet. Verwenden Sie in der Praxis auch noch andere Biofeedback-Parameter?
Antwort: Ja, absolut. Die häufigste Sonde, die ich verwende, ist tatsächlich die vaginale Sonde für Frauen. Bei Inkontinenzsymptomen bei Männern verwende ich die für Männer verfügbare Sonde.
Für mich ist es wichtig, beim Biofeedback-Training des Beckenbodens auch die Atmung als Leitfaden zu berücksichtigen. Das Training wird so angeleitet, dass die Kontraktion im geeigneten Moment des Atemzyklus erfolgt, was für das Muskeltraining effektiver und sinnvoller ist. Man vermeidet so auch Atempausen, die für das Beckenbodentraining nicht sinnvoll sind. Man kann gleichzeitig beobachten, ob es Stagnationen bei der Ein- oder Ausatmung gibt und ob die Person in der Lage ist, einen kontinuierlichen Atemfluss während der Messung aufrechtzuerhalten. Das ist im Sinne des eigenen Energiemanagements wichtig und fördert in den Pausensequenzen eine bessere Balance zwischen dem sympathischen und parasympathischen Nervensystem.
Frage: Was sind denn die Berichte aus der Praxis von Klientinnen, mit denen Sie gearbeitet haben? Was sind kurzfristige Verbesserungen, die hier erzählt werden, und wie nachhaltig ist der Trainingseffekt nach Abschluss eines Trainingszyklus?
Antwort: Gerade bei der Inkontinenz ist es oft so, dass zu Beginn kaum eine Kontraktionsstärke in den Biofeedback-Ableitungen zu sehen ist. Der erste Schritt besteht darin, die Muskeln zu lokalisieren, was man durch einige Wahrnehmungsübungen gut vorbereiten kann. Im Biofeedback-Signal zeigt sich oft, dass die Kontraktionskraft reduziert ist, und dann arbeitet man daran, die Kontraktionskraft und den gesunden Muskeltonus wieder zu steigern. Das gelingt normalerweise relativ schnell, besonders wenn die Personen auch zu Hause etwas üben. Die Sonde gehört ja ihnen, und es kann hilfreich sein, sie in den ersten ein bis zwei Wochen auch zu Hause zu nutzen, um das Gefühl für die Kontraktion zu entwickeln und sich zu steigern. Das visuelle Feedback verstärkt die Überzeugung, selbst etwas bewirken zu können. Wenn die Betroffenen sehen, dass ihre Spitzenwerte höher werden und sie ein Plateau halten können, ist das sehr bestärkend im Sinne der Lerntheorie.
Das Training geht normalerweise über mehrere Wochen. Bei einer gesunden Frau, die durch eine Geburt und Schwangerschaft eine Beckenbodenschwäche entwickelt hat, können oft schon nach 8 bis 10 Einheiten deutliche Erleichterungen der Beschwerden bis hin zu Beschwerdefreiheit erreicht werden. Bei Frauen, die nach einer Operation im urologischen oder gynäkologischen Bereich entsprechende Schäden an Nerven und Muskulatur haben, dauert es oft länger, bis zu drei Monate oder ein halbes Jahr. Aber die Erfolge und die wissenschaftlichen Belege für Beckenbiofeedback sind sehr ermutigend und zeigen, dass es eine sinnvolle, ergänzende Methode ist.
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