Immer häufiger wird bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen die Diagnose Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) gestellt. Parallel dazu wächst das Interesse an alternativen und ergänzenden Behandlungsmethoden. Besonders das Neurofeedback hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Dieser Blogartikel gibt einen verständlichen Überblick darüber, wie Neurofeedback bei ADHS eingesetzt wird und wie es sich in eine ganzheitliche Therapie integrieren lässt.
Was ist Neurofeedback?
Neurofeedback ist eine spezialisierte Form des Biofeedbacks, bei der die Gehirnaktivität perEEG-Sensorgemessen und visuell rückgemeldet wird. Während beim klassischen Biofeedback physiologische Signale wie Herzfrequenz oder Hautleitwert beobachtet werden, steht beim Neurofeedback das Gehirn im Mittelpunkt.
Ziel des Neurofeedback-Trainings ist es, bestimmte Gehirnwellen gezielt zu fördern oder zu hemmen, um die Selbstregulation des Gehirns zu verbessern. Dafür werden EEG-Signale in verschiedene Frequenzbereiche zerlegt. Bei der Behandlung von ADHS liegt der Fokus oft auf der Stärkung der Beta-Aktivität (12–30 Hz), die mit Konzentration und Aufmerksamkeit assoziiert ist, und der Reduktion der Theta-Aktivität (4–8 Hz), die mit Tagträumen und geringer Wachheit zusammenhängt.
Wie wirkt Neurofeedback bei ADHS?
Bei Menschen mit ADHS ist meist ein Ungleichgewicht in bestimmten Gehirnwellenmustern zu beobachten. Beispielsweise sind die Theta-Wellen, welche unter anderem mit Tagträumen und einem entspannten Wachzustand assoziiert sind, oft überaktiv, während die Beta-Wellen, welche bei Konzentration und fokussierter Aufmerksamkeit auftreten, eine verringerte Aktivität aufweisen können. Mithilfe von Neurofeedback können Betroffene gezielt und aktiv daran arbeiten, ihre Gehirnaktivität bewusst in die erwünschte Richtung zu beeinflussen, was zu einer Verbesserung der Konzentration und emotionalen Kontrolle führen kann.
Bei ADHS-Betroffenen zeigt sich häufig ein Ungleichgewicht der Gehirnwellenmuster: Die langsamen Theta-Wellen sind oft überaktiv, während die schnelleren, für fokussierte Aufmerksamkeit verantwortlichen Beta-Wellen unteraktiv sind. Genau hier setzt das Neurofeedback an: Durch gezieltes Training lernen Kinder und Erwachsene, ihre Gehirnaktivität bewusst zu regulieren, was zu einer Verbesserung der Konzentration und emotionalen Kontrolle führen kann.
Anwendung von Neurofeedback in Therapie und Ergotherapie
Neurofeedback bei ADHS kann sowohl als Alternative zur medikamentösen Behandlung als auch als begleitende Therapie eingesetzt werden – und das bei Kindern ebenso wie bei Erwachsenen. Zu Beginn einer therapeutischen Behandlung von ADHS kann Neurofeedback als ein Diagnosetool eingesetzt werden, um die Richtung für die zukünftige (multimodale) Therapieplanung zu weisen. Empfohlen werden in der Regel 20 bis 40 Sitzungen, idealerweise zwei- bis dreimal pro Woche. Die genaue Anzahl hängt vom individuellen Verlauf und den Fortschritten ab.
Studien zur Wirksamkeit: Was sagt die Forschung?
Zahlreiche Studien belegen die Wirksamkeit von Neurofeedback bei ADHS:
-
Verbesserungen bei Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis und [1,3]
-
Positive Effekte auf den schulischen und sozialen Alltag [2]
-
Langfristige Erfolge – auch 6 bis 12 Monate nach Abschluss der Behandlung [4,5,8]
In Kombination mit Medikamenten können durch Neurofeedback zusätzliche Verbesserungen der ADHS-Symptomatik erzielt werden. Studien zeigen etwa:
-
Stärkere Reduktion der ADHS-Kernsymptome [6,7]
-
Langfristige Stabilität der Therapieeffekte [8]
-
Besonders gute Erfolge bei Kindern mit starken oder sehr milden kognitiven Defiziten [9]
Wichtige Erfolgsfaktoren sind:
-
Hohe Sitzungsfrequenz
-
Professionelle EEG-Auswertung [10]
Fazit: Neurofeedback als moderne Therapieoption bei ADHS
Neurofeedback ist eine wissenschaftlich fundierte, nebenwirkungsfreie Methode, die sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen mit ADHS eingesetzt werden kann. Durch das Training der Gehirnaktivität lassen sich Konzentration, Selbstregulation und Alltagskompetenz nachhaltig verbessern.
Als alleinige oder ergänzende Maßnahme zur medikamentösen Behandlung ist Neurofeedback besonders dann wertvoll, wenn eine langfristige, individuelle Lösung angestrebt wird. In Kombination mit anderen Therapieverfahren – etwa Verhaltenstherapie oder Ergotherapie – entfaltet das Neurofeedback sein volles Potenzial.
Wichtig ist: Das Training sollte stets von qualifizierten Fachpersonen durchgeführt werden, um nachhaltige Erfolge zu sichern.
Quellen
[1] Shereena, E. A., Gupta, R. K., Bennett, C. N., Sagar, K. J. V. & Rajeswaran, J. (2018). EEG Neurofeedback Training in Children With Attention Deficit/Hyperactivity Disorder: A Cognitive and Behavioral Outcome Study. Clinical EEG And Neuroscience, 50(4), 242–255. https://doi.org/10.1177/1550059418813034
[2] Moreno-García, I., Cano-Crespo, A. & Rivera, F. (2022). Results of Neurofeedback in Treatment of Children with ADHD: A Systematic Review of Randomized Controlled Trials. Applied Psychophysiology And Biofeedback, 47(3), 145–181. https://doi.org/10.1007/s10484-022-09547-1
[3] Moradi, N., Rajabi, S. & Nejad, A. M. (2022b). The effect of neurofeedback training combined with computer cognitive games on the time perception, attention, and working memory in children with ADHD. Applied Neuropsychology Child, 13(1), 24–36. https://doi.org/10.1080/21622965.2022.2112679
[4] Dobrakowski, P. & Łebecka, G. (2019). Individualized Neurofeedback Training May Help Achieve Long-Term Improvement of Working Memory in Children With ADHD. Clinical EEG And Neuroscience, 51(2), 94–101. https://doi.org/10.1177/1550059419879020
[5] Van Doren, J., Arns, M., Heinrich, H., Vollebregt, M. A., Strehl, U. & Loo, S. K. (2018). Sustained effects of neurofeedback in ADHD: a systematic review and meta-analysis. European Child & Adolescent Psychiatry, 28(3), 293–305. https://doi.org/10.1007/s00787-018-1121-4
[6] Pakdaman, F., Irani, F., Tajikzadeh, F. & Jabalkandi, S. A. (2018). The efficacy of Ritalin in ADHD children under neurofeedback training. Neurological Sciences, 39(12), 2071–2078. https://doi.org/10.1007/s10072-018-3539-3
[7] Lin, F., Sun, C., Cheng, Y., Wang, M. Y., Chung, W., Tzang, R., Chiu, H., Cheng, Y. & Tu, K. (2022). Additive effects of EEG neurofeedback on medications for ADHD: a systematic review and meta-analysis. Scientific Reports, 12(1). https://doi.org/10.1038/s41598-022-23015-0
[8] Arns, M., Clark, C. R., Trullinger, M., deBeus, R., Mack, M. & Aniftos, M. (2020). Neurofeedback and Attention-Deficit/Hyperactivity-Disorder (ADHD) in Children: Rating the Evidence and Proposed Guidelines. Applied Psychophysiology And Biofeedback, 45(2), 39–48. https://doi.org/10.1007/s10484-020-09455-2
[9] Ging-Jehli, N. R., Kraemer, H. C., Arnold, L. E., Roley-Roberts, M. E. & deBeus, R. (2023). Cognitive markers for efficacy of neurofeedback for attention-deficit hyperactivity disorder – personalized medicine using computational psychiatry in a randomized clinical trial. Journal Of Clinical And Experimental Neuropsychology, 45(2), 118–131. https://doi.org/10.1080/13803395.2023.2206637
[10] Bussalb, A., Congedo, M., Barthélemy, Q., Ojeda, D., Acquaviva, E., Delorme, R. & Mayaud, L. (2019). Clinical and Experimental Factors Influencing the Efficacy of Neurofeedback in ADHD: A Meta-Analysis. Frontiers in Psychiatry, 10. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2019.00035
0 Kommentare